„Hort endlich auf, mich zu retten! Ich habe das nicht gewollt!“ Bewegender Appell eines 84-Jahrigen

„Hort endlich auf, mich zu retten! Ich habe das nicht gewollt!“ Bewegender Appell eines 84-Jahrigen

Wenn man taglich sehr viele Texte liest, ja lesen muss, wie ich, stechen nur sehr wenige heraus. Selbst wenn sie noch so gut sind. Heute erlebte ich wieder einen Moment, in dem mich ein Text elektrisierte. Und ich sofort den Drang verspurte, ihn unverzuglich zu veroffentlichen – was ich auch tue, obwohl es schon nach Mitternacht ist. Der Text kommt von Ulrich Thurmann, 84, Staatssekretar im Ruhestand und treuer Leser meiner Seite. Und auch im hohen Alter noch streitbar. Sein Text wird sicher vielen nicht gefallen und Diskussionen auslosen. Gerade, weil er emotional wohl jeden anspricht. Und weil zumindest ich so etwas noch nicht gelesen habe. Ich finde, uber das, was Thurmann anspricht, musste offen diskutiert werden in einer freien Gesellschaft von mundigen Burgern. Voila:

Ein Gastbeitrag von Ulrich Thurmann

Die Corona-Ma?nahmen der derzeit Regierenden sollen gro?es Unheil verhindern. Es geht um Krankheit und Tod so vieler Menschen, dass nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch das wirtschaftliche und soziale System weitgehend zusammenbricht. Das rechtfertigt die schwersten, in dieser Art seit Kriegsende nicht dagewesenen Einschrankungen der verfassungsma?igen Rechte. Massivste Schadigungen der Erziehung und Ausbildung, der Psyche, des sozialen Zusammenhalts, der kleinen Unternehmer, des Mittelstands, der Gro?unternehmen, des Kulturlebens, der Lebensgrundlagen von Millionen in den Entwicklungslandern, der Demokratie, des friedlichen Zusammenlebens mussen veranlasst werden, um Menschen vor Tod und Krankheit zu retten.

Wer sind diese so stark bedrohten Menschen, deretwegen alles stillstehen muss? Einer von ihnen bin ich. Die Gefahrdeten sind weit uberwiegend uber 80 Jahre Alte. Jungere sind weniger, Junge nur ganz selten gefahrdet.

Wie fuhle ich mich angesichts der Anstrengungen, die die derzeit Regierenden zu meiner Rettung unternehmen? Ich fuhle mich beschissen. Ich sehe nicht, dass meinetwegen die Welt stillstehen muss. Ich gehore zu den Hochstgefahrdeten mit meinen 84 Jahren. Gefahrdet bin ich aber nicht nur durch Corona, sondern aufgrund meines Alters schon ganz allgemein durch etwas, das sich Tod nennt. In meinem Alter denkt man an den Tod als etwas Normales, Tagliches, das jederzeit geschehen kann. Ich kenne Altersgenossen, die sich aus Angst, einige Monate oder Jahre fruher zu sterben als sowieso zu erwarten, in ihren Wohnungen einschlie?en und sich das Essen bringen lassen. Sie horen aus Angst vor dem Tod auf zu leben.

Tot auch ohne Corona

Der Tod ist in meinem Alter nichts Abstraktes mehr, wie noch in der Jugend. Ich habe sehr viele Menschen gekannt. Fast alle diese Menschen sind tot – auch ohne Corona: nach schwerer Krankheit, durch Unfalle, durch Selbstmorde (erstaunlich viele), durch Alter oder auch einfach so, wie mein Schwager in Dublin, der frohlich seiner Frau den morning tea ans Bett brachte, wie es sich in Irland gehort, sich aufs Bett setzte, sagte „mir ist plotzlich so komisch“, und tot umfallt. Wenn ich heute irgendwo in meiner Gegend unter viele Menschen gehe, kenne ich keinen einzigen mehr. Ich gehe durch die Menschen wie ein Geist, den keiner sieht. Aber ich nehme das Leben halt so, wie es kommt.

Ich selbst bin durch Alter und die ublichen Krankheiten (bei mir ist es eine Herzoperation und die Lunge, bei meiner Frau Parkinson und die Beine) nicht mehr taufrisch, aber im Kopf noch klar. Ich habe als ehemaliger Staatsbeamter meine Pension, wir pflegen unter Berucksichtigung von Vorsichtsma?nahmen unser familiares und soziales Leben. Gro?er Kummer packt mich, wenn ich mir die Auswirkungen der Corona-Ma?nahmen auf das Leben und die Zukunft der Millionen vor Augen halte, die in den oben genannten Bereichen derzeit den Zusammenbruch ihrer Lebensplane erleben und die nicht wie ich oder die derzeit Regierenden in ihrem Einkommen uberhaupt nicht betroffen sind.

Das fuhrt mich zu dem gro?en Geheimnis, was sich die derzeit Regierenden bei ihren Ma?nahmen und besonders bei deren Auswirkungen auf die betroffenen Menschen gedacht haben. Sie gehen damit so eigenartig um, dass sich bei mir die Gewissheit gefestigt hat, dass sie sich gar nichts gedacht haben. Die (fehlenden) Antworten auf die Fragen, die z.B. Boris Reitschuster regelma?ig auf der Bundespressekonferenz stellt, sind ein massiver Hinweis darauf. Wenn sie sich etwas gedacht hatten, musste es ja abgreifbar sein.

Ungeheuerliche Schadigungen

Die Schadigungen durch die Ma?nahmen sind so ungeheuerlich, dass die Gefahr, der man mit ihnen begegnen will, noch viel gro?er sein musste. Sie musste so gro? sein, dass man die massiven Eingriffe in Kauf nimmt: die Zerstorungen durch die Ma?nahmen, so gro? sie auch sein mogen, waren einfach notig zum Schutz – ja zum Schutz wessen? Zum Schutz der von Corona fast ausschlie?lich betroffenen sehr alten Menschen (uberwiegend mit Vorerkrankungen).

Ich erklare hiermit ausdrucklich, dass ich als „Schutzgut sehr alter Mensch“ nicht durch diese Politiker geschutzt werden mochte, die besser wissen als ich, was fur mich gut ist. Ich bin vollig zufrieden, meinen Weg zu Ende zu gehen und im Krankheitsfall auf die Menschen und Einrichtungen zu vertrauen, die ich kenne und die sich auskennen. Wenn es dann trotzdem zum Ende geht, kann ich sterben in der Gewissheit, dass meinetwegen keine Vielzahl von Menschen leiden muss.

Ich habe das alles nicht gewollt.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrucklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstutzung von allen, denen sie nicht weh tut! [themoneytizer />

Ulrich Thurmann wurde 1936 als Sohn eines Architekten in Stettin geboren. Er studierte Rechts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt/M., West-Berlin und Munchen. Von 1970 bis 2001 war er unter vierzehn Ministern und Ministerinnen von SPD, FDP, CDU und Grunen leitender hessischer Beamter fur Industrieaufsicht und in dieser Zeit auch fur die Sicherheit der Anlagen der Kernenergie in Hessen zustandig. Anschlie?end wurde Thurmann von Ministerprasident Dr. Wallmann (CDU) im hessischen Umweltministerium zum Leiter der Abteilung Immissionsschutz, wie gut ist jackd von Ministerin Nimsch (Grune) zum Leiter der Zentralabteilung und von Ministerprasident Koch (CDU) zum Staatssekretar ernannt. Sein Buch „Vom Gebrauch des Staates – Beitrage eines Beamten aus sechs Jahrzehnten“ ist 2019 erschienen und kann unter [email protected] bestellt werden (Preis: 25 Euro).

Bild: Bonsales/Shutterstock Text: gast

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